Raketenflugplatz-Berlin
Pauschale Verunglimpfung deutscher
Raumfahrtpioniere als Nazi-Täter
In der öffentlichen Diskussion über die deutsche Vergangenheit,
insbesondere der Zeit der Nazi-Herrschaft und des Zweiten
Weltkriegs, kann, bezogen auf die Menschen, die an der
Raketenentwicklung beteiligt waren, eine starke Vereinheitlichung
des Meinungsbildes beobachtet werden.
Jetzt gibt es im öffentlichen Diskurs nur noch die pauschale
Einordnung aller Raketen-Ingenieure als Nazi-Täter. Dabei braucht
ein Nachweis einer wirklichen Tat bei der Beschuldigung eines
Menschen als Täter hiebei offenbar nicht geführt zu werden.
Oben: Max Valier gab 1930
im Alter von 35 Jahren sein
Leben für die Idee der
Raumfahrt.
Links: Im Berliner Stadteil
Britz hatte er kurz zuvor
begonnen, Raketen-
triebwerke für flüssige
Treibstoffe zu entwickeln.
Er war der erste Mensch, der
ein solches Triebwerk der
Presse präsentierte und sich
davon mit einem Fahrzeug
(einem Wagen) antreiben
ließ.
Max Valier:
“Der war doch einer der Nazi-Raketenleute!”
Der in Bozen geborene und in München wohnende Max Valier, war ein
eifriger Propagandist für die Raumfahrtidee in den 1920er-Jahren.
Valier (1895 - 1930) begann nach der Lektüre von Hermann Oberths
Buch “Die Rakete zu den Planetenräumen” ab 1924 Vorträge über die
Raumfahrt zu halten. Bald führte er selbst Versuche mit Feststoff-
raketen durch und ab Januar 1930 arbeitete er in der Firma Heylandt
in Berlin-Britz. Heyland war Hersteller von Flüssigsauerstoff und
stellte Valier ein Labor und Gehilfen zur Verfügung. Hier entwickelte
Max Valier Flüssigkeitstriebwerke. Unter primitiven Bedingungen
entstanden hier in der Britzer Gradestraße erste funktionsfähige
Triebwerke.
Bei einem Versuch explodierte am 17. Mai 1930 ein Triebwerk. Ein
Splitter der Düse verletzte Valier tödlich. Er starb in Britz bevor ein
Arzt kommen konnte.
Die Stadt Berlin ehrt besondere Persönlichkeiten durch
Anbringung einer “Berliner Gedenktafel” an Orten, an denen
diese Personen gelebt oder gewirkt hatten. Max Valier - dem
ersten Opfer der Raumfahrt - wurde solch eine Tafel in der
Berliner Gradestraße gewidmet.
Hier in Britz befand sich die Firma Heylandt, auf deren Gelände Valier
1930 arbeitete und tödlich verunglückte. Die Firma Heylandt gibt es nicht
mehr, auf dem Gelände sitzt seit langem die Firma Linde AG. Die
Ehrentafel für Max Valier wurde sichtbar für Passanten an der
Umzäunung angebracht.
Zum 70. Todestag von Valier legte Daedalus-Mitglied Uwe W.
Jack unter der Tafel Blumen ab. Als dies mit einem kleinen
Kreis von Raumfahrtenthusiasten 2005 zum 75. Todestag
wiederholt werden sollte, war die Tafel verschwunden.
Nachdem die Tafel auch nach zwei Jahren nicht wieder
angebracht war, ergab eine telefonische Nachfrage bei der in
Berlin zuständigen Stelle, man wisse nicht, was mit der Valier-
Tafel geschehen ist, vielleicht sei die Firma Linde AG
verantwortlich, es ist ja schließlich ihre Umzäunung.
Aber die Linde AG antwortete weder auf Anfragen per Brief oder eMail.
Telefonate endeten in ewigen Warteschleifen.
Bei einer erneuten Nachfrage bei der zuständigen Senats-Stelle, bot
der Sachbearbeiter erst an, eine fehlende Tafel könne nachproduziert
werden, wenn die Kosten dafür übernommen würden. Auf die Nachfrage,
wer denn eigentlich der auf der Tafel Geehrte sei, kam nach kurzer Pause
die Antwort:
“Da wird es wohl kaum eine neue Tafel geben. Der war doch einer der
Nazi-Raketenleute!”
“Verherrlichung von Nazis”
Das Gelände des ehemaligen Raketenflugplatz Berlin wird
heute weitestgehend vom 2019 stillgelegten Flughafen Tegel
eingenommen. Zur Erinnerung an die vom Raketenflugplatz
geleisteten Pionierarbeiten für die Raumfahrt waren in der
Haupthalle des Flughafens drei Bronzetafeln mit den
wichtigsten Akteuren angebracht. Die Köpfe von Hermann
Oberth, Wernher von Braun und Rudolf Nebel zierten seit der
Eröffnung 1974 eine Säule nahe dem Eingang. Im Sommer
2018 ließ die Flughafengesellschaft diese Tafeln entfernen.
Fluggäste sollen sich über die “Verherrlichung von Nazis”
beschwert haben. Besonders habe Wernher von Braun in der
Kritik gestanden.
Die Anbringung der Tafeln erfolgte 1974 durch die öffentliche
Verwaltung Berlins. Mittlerweile wird der Flughafen als GmbH
geführt, deren Hauptgesellschafter sind aber zu zweidritteln
die Länder Berlin und Brandenburg sowie die Bundes-
regierung. Nun kann von der Flughafengesellschaft kaum
verlangt werden, die Geschichte des Raketenflugplatzes
aufzuarbeiten und den Reisenden darzustellen. Da war die
sang-und-klanglose Entfernung der Tafeln wohl der einfache
Weg zur Vermeidung von Diskussionen.
Was diese Angelegenheiten so ärgerlich macht, ist, dass dies
ein Ausdruck einer sich immer weiter verbreitenden Sicht auf
die Geschichte ist, die weniger von Tatsachen, als von
Vorurteilen getragen wird.
Uwe W. Jack
Zur Biographie von
Max Valier