Raketenflugplatz-Berlin
Die Taifun genannte Rakete sollte ohne Steuerung in Salven
verschossen werden Dabei sollten 28 Raketen ein Startgestell
innerhalb von 0,7 Sekunden verlassen. Die Flugzeit auf 10 000
Meter Höhe wurde mit 14 Sekunden angegeben, also etwa die
halbe Zeit, welche eine 8,8-cm-Flakgranate benötigte. Zum
Ausgleich von Bauungenauigkeiten sollte das Startgestell die
Taifun in Rotation versetzen.
Im September 1944 reichte Scheufelen seinen Entwurf beim
Reichsluftfahrtministerium RLM ein. Etwa einen Monat später
wurde das Projekt angenommen und Versuchsmuster gebaut.
Raketen:
Taifun
In Peenemünde arbeitete der Diplom-Ingenieur Klaus H.
Scheufelen an der Flugabwehrrakete Wasserfall. Das Projekt
verzögerte sich durch die technische Komplexität, vor allem bei
der Steuerung und Zielfindung immer mehr.
Im Sommer 1944 stellte Scheufelen auf eigene Faust Rech-
nungen an, ob eine einfache, ungesteuerte Rakete zur Abwehr
alliierter Bomber geeignet sein könnte. Als Treibstoff legte er
ähnliche Komponenten wie bei der Wasserfall zugrunde:
Salpetersäure und einen Kohlenwasserstoff (Optolin bzw.
Visol). Dadurch war die Rakete lagerfähig.
Da eine Fertigung von 1,2 Millionen Stück Taifun monatlich
geplant war, sollte der Aufbau der Rakete so einfach wie möglich
sein. Eine Festoffladung aus Kordit in der Spitze wurde elektrisch
gezündet. Die erzeugten Gase beaufschlagten nach Zerstören
einer Sprengmembran die beiden ineinander liegenden
Treibstofftanks mit bis zu 60 bar. Durch den Druck platzten auch
die Sprengmenbranen am unteren Ende der Tanks, die bisher ein
Auslaufen der Treibstoffe verhindert hatten.
Im Museum der Royal Air Force in Cosford sind eine
Taifun mit Flüssigkeitsantrieb (oben) und eine
Version mit Feststoff ausgestellt.
Unten: Die Cosford-Taifun ist so wie sie gezeigt wird
nicht funktionsfähig. Die Wirkung und Funktion der
Sperrscheibe im Salpetersäure- Fließweg wird in den
Zeichnungen unten beschrieben.
In der Mitte des Rumpfes befindet sich der
Salpetersäuretank, die Außenhaut der
Taifun wird vom Optolintank gebildet.
Nach Zündung des Gasgenerators in der
Raketenspitze ist die Membran unten an
den Tanks geplatz und gibt den Weg zu
den Einspritzdüsen frei.
Ganz links - Fehlstart:
Das Optolin (grün, außen) kann
unbehindert zu den Düsen strömen. Im
Weg der Salpetersäurde befindet sich eine
Sperrscheibe (mitte, rot), die nur wenig
Säure durchlässt. Die Fassung der
Sperrscheibe sitzt auf einer Stange, die
durch eine aufgeschrumpfte Hülse mittels
einer Ringfeder in der Triebwerksmitte
gehalten wird.
Zünden die Treibstoffe nicht wie üblich
spontan, etwa wenn sie im Winter zu kalt
sind, fließen sie unten aus der Düse an
einer weiteren Sperrscheibe vorbei, einfach
aus der Rakete. Es erfolgt kein Start.
Links - Start:
Zünden die Treibstoffe jedoch beim
Aufeinandertreffen, so entsteht in der
Brennkammer ein hoher Druck. Dieser
drückt die Sperrscheibe am untern Ende
der Stange aus dem Triebwerk. Dabei zieht
sie an der Stange die aufgeschrumpfte
Hülse und die obere Sperrscheibe mit nach
unten. Die obere Sperrscheibe wird in die
mittige Öffnung des Triebwerks gepresst.
Dadurch kann die Salpetersäure frei zu den
Einspritzdüsen strömen. Der Brenn-
kammerdruck streift die Stange ab, die mit
der unteren Scheibe und der Hülse aus-
geworfen wird. Das Triebwerk entwickelt
jetzt vollen Schub. Somit ist die Explosions-
gefahr bei dieser zweistufigen Zündung
ausgeschaltet.
Als Sofortlösung wurde auch eine Taifun mit Feststofftriebwerk
gebaut. Die Taifun P (Pulver) war im Gegensatz zur Taifun F
(Flüssigkeit) etwa langsamer und brauchte bis zur Zielhöhe
von 10 000 Metern etwa 20 Sekunden. Bei Versuchsstarts der
Taifun P zeigte sich, dass Brocken des Festtreibstoffs lose
brachen und aus der Düse getrieben wurden, was die Leistung
erheblich verschlechterte.
Beide Versionen hatten einen Sprengkopf mit 500 Gramm
Sprengstoff und einem Aufschlagzünder. Traf die Taifun kein
Ziel, sprengte ein Zeitzünder die Rakete nach 30 Sekunden
Flugzeit. Im Vergleich zu den 8,8-cm-Flakgeschützen sollte der
Materialverbrauch mit der Taifun nur ein Viertel betragen. Die
Herstellungskosten wurden mit etwa 25 Reichsmark pro
Exemplar geschätzt.
Verschiedene Versionen der Taifun wurden durchgerechnet
und Analysen zur Zerstörungswahrscheinlichkeit bei einem
viermotorigen Bomber angestellt. So wurden auch
Sprengköpfe mit bis zu 10 kg Ladung vorgesehen.
Durch die hohe Geschwindigkeit von Mach 2+ wurde eine
geringe Streuung der Salve erwartet, deswegen sollten die
Startschienen leicht gegeneinander geneigt sein, um in der
Zielhöhe eine genügend große Fläche abzudecken.
Zwei verschiedene Formen der vier Heckflossen wurden
produziert. Sie waren 0,7 Grad gegen die Längsachse ange-
stellt und unterstützten so die Rotation der Rakete. Sie drehte
sich im Flug etwa eineinhalb Mal pro Sekunde. Durch die
langsame Drehung konnten normale Flakzünder, die 200 U/sec
zur Schärfung benötigten, nicht verwendet werden.
Im Museum Cosford sind beide an der Taifun
verwendete Flossenformen zu sehen.
An der Raketenspitze befindet sich die Feststoffladung
(rot) für den Gasgenerator.
Ein britischer Beutebericht listet sechs verschiedene Taifun-
Versionen auf (Taifun-Nummern von den Briten eingefügt):
Taifun F
10 cm Durchmesser, Flüssigtriebwerk, mit 2,5 Sekunden
Brenndauer - in der Produktion. Erstflug im Oktober 1944.
Taifun 1 - mit höherem Förderdruck
10 cm Durchmesser, Flüssigtriebwerk mit 1,5 Sekunden
Brenndauer - in der statischen Erprobung.
Taifun 2 - mit weiter gesteigerten Förderdruck
10 cm Durchmesser, Flüssigtriebwerk mit neuen
Einspritzdüsen, 0,8 bis 1 Sekunde Brenndauer, Flugtest
standen bevor.
Taifun 3 - leichte Variante
7 cm Durchmesser, Flüssigtriebwerk, mit 2 Sekunden
Brenndauer - Projekt.
Taifun 4 - Kurzstrecke
5 cm Durchmesser, Flüssigtriebwerk, bis 5 km Flughöhe -
statische Tests.
Taifun P - auch als “Wirbelsturm” bezeichnet
10 cm Durchmesser, Feststofftriebwerk - Flugtests wurden
durchgeführt.
Taifun F
Taifun 1
Taifun 2
Taifun 3
Taifun 4
Taifun P
Treibstoff
flüssig
flüssig
flüssig
flüssig
flüssig
fest
Brenndauer
2,5 sec
1,5 sec
0,8 - 1 sec
1 sec
0,5 - 0,7 sec
-
Brennschlussgeschwindigkeit
1200 m/s
1200 m/s
1280 m/s
1400 m/s
800 m/s
1200 m/s
Startgewicht
21 kg
21 kg
21 kg
14 kg
8 kg
24 kg
Leergewicht
10 kg
10 kg
10 kg
6,5 kg
4,5 kg
-
Sprengladung
0,5 kg
0,5 kg
0,5 kg
0,5 kg
0,5 kg
0,5 kg
Länge
1920 mm
1920 mm
1920 mm
2150 mm
1500 mm
2100 mm
Rumpfdurchmesser
100 mm
100 mm
100 mm
70 mm
50mm
100 mm
Brennkammerdruck
50 atm
100 atm
100 atm
100 atm
100 atm
-
Schub
840 kp
1300 kp
3000 kp
1500 kp
750 kp
-
Im Museum Peenemünde befindet sich der Nachbau
einer Taifun F.
Geplant war ursprünglich, die Produktion der Taifun auf
mehrere Werke zu verteilen. Auf Anweisung von SS-
Obergruppenführer Dr. Hans Kammler, der die gesamte
Entwicklungs-Palette der Sonderwaffen befehligte, wurde
die Fertigung ab Januar 1945 in das Mittelwerk im Harz
verlegt. In der Prodution wurden auch Häftlinge des
Konzentrationslagers Dora eingesetzt.
Mitte Februar 1945 gingen hier Aufträge über die
Herstellung von 10 000 Taifun F und 50 000 Taifun P ein,
die zur Ermittelung der Schusswerte verwendet werden
sollten. Etwa 600 Taifun F wurden tatsächlich gefertigt.
Eine Taifun während der Erprobung. Versuchsflüge
wurden von Peenemünde aus über die Ostsee
ausgeführt. Die Tests des Triebwerks könnten in
Kummersdorf erfolgt sein.
Eine heute noch in Kummersdorf erhaltene Schutz-
wand an einem ehemaligen Raketen-Versuchsstand
mit Sehschlitzen in der Form und Größe, wie auf den
beiden Originalfoto.
Im Archiv von Klaus Schlingmann befindet
sich eine Originalzeichnung der Taifun. Die
Zeichnung ist über die Jahrzehnte leider
stark verblasst und wird hier in einer mit
dem Computer stark kontrastverstärkten
Version gezeigt.
Links ist eine vereinfachte Ausführung der
Treibstoffeinspritzung zu sehen. Auf die
zweistufige Zündung mittels zweier
Strömungsscheiben an einer Stange wird
hier verzichtet. Dadurch konnte die
Produktion vereinfacht werden.
Interessanterweise sind noch zusätzliche
Änderungsvorschläge skizziert worden.
Rechts: Durch Klicken auf die Abbildung
kann die ganze Taifun-Zeichnung
angesehen werden.
Einfüllen des Treibstoffs in eine
Taifun.Vermutlich wird hier gerade
der innere Tank mit Salpetersäure
befüllt. Der Techniker trägt dazu
Gummihandschuhe.
Bemerkenswert sind die Halte-
stangen am oberen Ende der
Rakete, die offenbar dazu dienen,
damit ein Helfer die Rakete
festhalten kann, ohne mit seinen
Händen zu nahe an die Säure zu
kommen.
Oberhalb der Tanks wird nach dem
erfolgten Betanken die Feststoff-
treibladung zur Erzeugung des
Förderdrucks und der Sprengkopf
aufgeschraubt.
Die in Peenemünde gezeigte Brennkammer einer Taifun F
ist ein geborgenes Original. Die Düse hat einen
Öffnungshalbwinkel von 10 Grad.
Einbringen einer Taifun in das
Startgestell in Peenemünde für
einen Versuchsflug.
Die Taifun kurz nach Verlassen des
Startgestells. Aus der Aufnahme ist
nicht ersichtlich, ob es sich um eine
Version mit Salpetersäure oder mit
Festtreibstoff handelt. Wäre dies ein
Farbfoto, müsste die Abgasfahne
bei Salpetersäure einen rötlichen
Farbton zeigen.