Raketenflugplatz-Berlin
Fehlinformationen zum Werk von
Johannes Winkler
Seit einiger Zeit schwappt eine Welle von Vorträgen und Artikel
über Johannes Winkler durch die Raumfahrtgemeinde. Nicht,
dass dieser Pionier der Rakete keine Würdigung verdient hätte.
Doch, je mehr Zeit ins Land geht, umso mehr Erfindungen und
Prioritäten werden Winkler angedichtet. Das kann nichts
anderes heißen, als dass die tatsächlichen Verdienste von
Johannes Winkler diesen Autoren nicht für einen würdigen
Platz unter den Raumfahrtpionieren ausreichen.
Für eine seriöse Recherche der tatsächlichen Prioritäten hätte
man nicht etwa tief in Geheimarchive hinabsteigen müssen. Oft
reicht schon ein Blick in ein gutes Raumfahrtbuch ...
Johannes Winkler war eine wichtige Figur in der Frühzeit der
Raumfahrtbewegung, er hat es nicht nötig mit falschen Federn
geschmückt zu werden!
Behauptungen über angebliche Erfindungen
Winklers:
1) Johannes Winkler sei der Erfinder der Bündelung von
Raketen.
In seinem Buch “Der Strahlmotor” von 1932 gibt Winkler seine
Idee, gleichartige Standard-Raketen zu bündeln und solche
Bündel auch zu mehreren Stufen zu kombinieren, einer breiten
Öffentlichkeit bekannt. Seine ausführliche mathematische
Durcharbeitung wird im Bericht “Zusammengesetzte Raketen”
von 1947 für die britische Besatzungsmacht zusammengefasst.
Aber erfunden hat er dieses Verfahren nicht!
Oben: 1650 veröffentlichte der polnische Raketen-
hersteller Casimir Siemiencowicz diese Zeichnung
seiner Produkte mit Stufen- und Bündelraketen.
Links: Schon Konstantin Ziolkowski schlug gebündelte,
gleiche Flüssigkeitsraketen als “Raketen-Züge” vor.
2) Johannes Winkler sei der Erfinder der Anbringung von
mehreren Triebwerken an einer Rakete
Dass Winkler an einer Kombination von mehreren Triebwerken
gearbeitet haben könnte, ist möglicherweise aus einer Notiz
von 1935 während seiner Beschäftigung bei Junkers zu
schließen: “Plattenbrennraum mit 10 000 kg Schub,
Untersuchung eines Teilstücks daraus von 5 kg Schub“.
Wie ein 10-Tonnen-Triebwerk, aus 2000 Brennkammern aus-
gesehen haben soll, ist dabei noch ungeklärt.
Mehrmotorige Fahrzeuge waren seit Beginn der Motorisierung
üblich. Auch bei Raketen war Winkler nicht der Erste.
Hermann Oberth veröffentlichte 1923 sein
Projekt einer Mondrakete im Buch “Die
Rakete zu den Planetenräumen”. Die
Mehrfach-Triebwerke sind deutlich zu sehen.
Natürlich gab es bei Feststoffraketen schon
seit Langem Ausführungen mit mehreren
Auströmdüsen.
3) Johannes Winkler sei der Erfinder des Raketenflugzeugs
Seine Idee eines “Schnellflugzeugs” mit Raketenantrieb hat
Winkler 1927 als Gebrauchsmuster angemeldet. Da waren die
Zeitungen damals schon voll mit Artikeln von Max Valier, der im
April 1924 in einem Brief an Hermann Oberth seinen Weg, zur
Raumfahrt zu kommen, geschildert hatte, indem man
Flugzeuge mit Raketenantrieb ausstattet und immer höher
fliegen lässt. 1925 war Valier deswegen bei Junkers, konnte
aber keine Finanzierung erhalten, doch seitdem befasste sich
die Firma mit Strahlantrieben.
Mit den in der Zeit vor Johannes Winkler entworfenen
Raketenflugzeugen ließe sich ein Buch füllen!
Links: Ein britisches Raketenflugzeug-Projekt von
1867.
Oben: Ein Valier-Entwurf eines aus einer Junkers-
Maschine abgeleiteten Raketen-Flugzeugs.
4) Johannes Winkler sei der Erste, der 1935 mit der Treibstoff-
kombination Wasserstoff/Sauerstoff experimentiert habe
Hermann Oberth in “Wege zur Raumschiffahrt” (1929) zu
seinen Versuchen mit gasförmigem Sauer- und Wasserstoff in
der Zeit vor der Buchveröffentlichung:
“Leider konnte ich noch nicht mit flüssigem Wasserstoff
experimentieren. … Tatsächlich konnte ich auch schon mit
einem keineswegs vollkommenen Apparat 3800 - 4000 m/sek
erreichen.”
Ab September 1932 führte Dr. Kurt Wahmke an der Raketen-
versuchsstelle Kummersdorf Brennversuche mit Wasserstoff
und Sauerstoff durch. Dazu legte er 1933 eine Dissertation vor.
Am 16. Juli 1934 kam Wahmke mit Mitgliedern seiner
Arbeitsgruppe bei einer Explosion in Kummersdorf ums Leben.
Aufbau des Wasserstoff-Brennversuchs von Dr. Kurt
Wahmke 1932 (Abbildung aus seiner Dissertation)
Es wäre wünschenswert, wenn sich einmal ein ernsthafter
Historiker mit wenigstens technischen Minimal-Kenntnissen mit
den Raketenpionieren befassen würde. Sie haben es verdient!
Uwe W. Jack
Rudolf
Nebel
Wernher
von Braun
Klaus Riedel