Raketenflugplatz-Berlin
Henschel Hs 293 -
die erste Anti-Schiffs-Lenkwaffe
Im Jahr 1940 wechselte der österreichische Luftfahrtpionier Herbert Wagner von
den Junkerswerken zum Henschel Flugzeugbau nach Schönefeld bei Berlin. Hier
begann er in einer eigenen Abteilung mit der Entwicklung von ferngelenkten
Flugkörpern gegen Schiffsziele, später auch gegen Luftziele. Wagner verfolgte das
Prinzip, dass seine Fluggeräte möglichst eigenstabil fliegen sollten und nur wenig
Kontrolleingaben zur Stabilisierung nötig sein sollten
Ausgangspunkt war der Gedanke, eine 500-kg-Bombe von einem Flugzeug aus
gegen ein Frachtschiff zu werfen und dabei die Trägermaschine aus dem Bereich
des Abwehrfeuers herauszuhalten. Mit einem reinen Gleiter war dies schwer zu
erreichen, also war schnell klar, dass ein zuverlässiger und leichter Antrieb gefunden
werden musste.
Zwei in Frage kommende Feststoffantriebe wurden verworfen, Henschel entschied
sich für das Flüssigtreibstoff-Raketentriebwerk HWK 109-507 von Hellmuth Walter
aus Kiel.
Ein Topf mit Leuchtmitteln am Heck der Hs 293 ermöglichte den Steuerschützen
an Bord des Trägerflugzeugs, die Position des Flugkörpers gut zu erkennen. Mit
einem Steuerknüppel gab er über Funk Steuersignale an die HS 293 und versuchte
den Leuchtpunkt immer in Deckung mit dem Ziel zu halten.
Im Kriegseinsatz erwiesen sich die Flugkörper als sehr erfolgreich, vor allem im
Vergleich zu Angriffen auf Schiffe mit frei fallenden Bomben. Versager waren
hauptsächlich auf Bedienfehler zurückzuführen. Eine ständige Fehlerquelle war die
Mißachtung der Vorschriften bei der Vorbereitung des Raketen-Antriebs-blocks.
Wenn keine getrocknete Luft in die Pressluftbehälter für die Treibstoff-Förderung
gefüllt wurde, froren die Ventile beim Start des Triebwerks sofort zu und die Hs 293
stürzte antriebslos ab.
Oben: Der Steuerschütze bedient den
Steuerknüppel an Bord des Trägerflugzeugs.
Geübt wurde die Bedienung an einem eigens
konstruierten Simulator.
Links: Während der Erprobung wirft eine Heinkel
He 111 eine Henschel Hs 293 über der Ostsee
bei Peenemünde ab.
Eine kleine Flotte von Henschel Hs 293 während der Restaurierung in Gatowist schon ein seltener Anblick.
Der gelbe Bug der mittleren Hs 293 zeigt einen Übungsflugkörper an.
Die klaren Linien der Henschel Hs 293 sind auf
den Gedanken Herbert Wagners
zurückzuführen, ein aerodynamisch sauberes
Fluggerät zu entwerfen. Er bezeichnete seine
Konstruktion immer als “Flugzeug” und setzte
es beim RLM durch, dass ihr die Typen-
Bezeichnung eines bemannten Flugzeugs
verliehen wurde.
Die Tragflächen haben ein symmetrisches
Profil und sind rechts und links austauschbar.
Einer der ersten Computer der Welt, von
Konrad Zuse, vermaß die Tragflächenprofile
genau und suchte immer zwei gleiche für eine
Flugbombe aus. Deswegen flog die Hs 293
sehr stabil.
(3 Fotos: Luftwaffenmusuem Gatow)
Oben: Der komplette Antriebsblock der
Hs 293. Links befindet sich das Raketen-
triebwerk. Es ist im Winkel verbaut, damit der
Schub durch den Schwerpunkt des
Flugkörpers geht.
Die beiden übereinander liegenden
Druckbehälter werden mit Pressluft mit 200
bar befüllt. Diese Luft fördert den Treibstoff
Wasserstoffperoxid aus dem großen Tank
ganz rechts. Der Treibstoff wird mit
Kaliumpermanganat aus dem kleinen
Hochkant-Tank gemischt und zersetzt sich
zu sehr heißem Wasserdampf und
Sauerstoff.
Bei der Restaurierung galt äußerste
Vorsicht. Auch wenn die Manometer keinen
Druck mehr für die Presslufttanks
anzeigten, musste damit gerechnet werden,
dass diese noch gefüllt sind.
Das Raketentriebwerk hat einen Vorraum mit
einer Wendel. Damit wird der Weg des
Wasserstoffperoxids zur Düse verlängert und
ihm mehr Zeit zur Zersetzung gegeben.
Für einen stabilen Flug ist es besonders wichtig, die
Schwerpunktlage genau auf den Konstruktionswert
einzustellen. Dazu dient unter anderem ein verstellbares
Gewicht im Bug des Triebwerksblocks.
Noch einmal eine Blick auf die beiden Presslufbehälter und den
Tank für das Kaliumpermanganat.
(5 Fotos: Luftwaffenmuseum Gatow)
Raketen und Flugkörper:
Die Heinkel He 177 sollte als Langstreckenbomber über See mit drei Hs 293 operieren. Die
Steuersignale sollten per Draht übertragen werden.