Raketenflugplatz-Berlin
Museum:
Imperial War Museum
Mitten in London befindet sich das unglaubliche Imperial War
Museum. Schon in der ersten Halle sind wie zu einem
Luftkampf eine Focke-Wulf Fw 190, eine Spitfire, Mustang und
ein Volksjäger Heinkel He 162 aufgehängt. Dazwischen stehen
ein Aggregat 4, welches teilweise aufgeschnitten ist, und eine
Poseidon-Rakete.
In den angrenzenden Ausstellungsräumen wird dicht an dicht
alles gezeigt, was das britische Militär in den letzten
Jahrhunderten selbst hervorgebracht oder erbeutet hat.
Zur Raketentechnik sind dies hauptsächlich Einzelstücke zu
den frühen Feststoffraketen für Artilleriezwecke aus dem 18.
und 19. Jahrhundert.
Das Aggregat 4 im IWM ist teilgeschnitten und zeigt so dem
Betrachter einen Teil seines Innenlebens.
Im Bild oben ist die Abdeckung eines Dampfauslasses
entfernt. Dieser liegt zwischen der hier fehlenden Flosse III
und der Flosse IV. Die stabile, aber schwere, Bauweise der
Rakete ist an den Schraubenköpfen zu erahnen, die den
Schubring mit der Zelle verbinden. Durch den links zu
erkennenden unteren Rand des Triebwerks, wird deutlich,
dass der Schubring in dieser Höhe liegt.
Der Blick in den Antriebsteil des Aggregat 4 läßt erahnen,
welche Entwicklungsarbeit notwendig war, um von den
theoretischen Überlegungen Oberths zu einer flugfähigen
Großrakete zu kommen. Die Steuer- und Regelsysteme sind
unglaublich komplex.
Links oben beginnt das Antriebssystem mit dem Ei des
Wasserstoffperoxidtanks und dem darunter befestigten,
Topfförmigen Permanganattank. Beide Stoffe zusammen
erzeugten den Heißdampf zum Antrieb der Turbine für die
Turbopumpe zur Treibstoff-Förderung.
Rechts neben dem Permanganattank befindet sich der
Wärmetauscher. Der heiße Abdampf der Turbine verdampft
hier etwas Flüssigsauerstoff, damit wird das Sauerstoff-
hauptventil erwärmt, um es vor dem Zufrieren zu bewahren.
Die beiden Abdampfleitungen für den Turbinendampf werden
hinter dem Wärmetauscher symmetrisch zu beiden Seiten
der Rakete nach unten abgeführt. Der Dampf erzeugt dann
noch zusätzliche 50 kp Schub.
Das charakteristische kreisrunde Rohr links im Bild ist die
Dampfzuleitung zur Turbine, darunter verzweigt sich die
Sauerstoffleitung nach der Pumpe zu den 18 Einspritztöpfen
am Triebwerk. Diese komplexe Konstruktion war eigentlich
eine Notlösung, mußte aber nach dem Befehl zum
“Einfrieren” der Entwicklungsarbeit 1943 beibehalten werden.
Unten links: Die Raketenspitze trägt oben den Zünder,
darunter den Sprengkopf und darunter den Steuerraum mit
der Bordelektronik. Der Holzrahmen um die Wartungsklappe
enthält eine Ringantenne. Da bei Versuchsflügen die Rakete
oft unterhalb des Steuerraums beim Wiedereintritt in die
Atmosphäre zerbrach, wurde das oberste Rumpfsegment mit
Blechen verstärkt. Diese Nietung ist sehr schön zu erkennen.
Unten: Der Alkoholtank des Londoner A4 zeigt Spuren von
Splittereinschlägen.
Von der Hallendecke hängt ein weiterer deutscher Flugkörper,
der zum Schrecken der Londoner Bevölkerung wurde, die
Fieseler F 103 (genannt V-1).
Im Zuge der atomaren Abschreckung erwarb die Royal Navy
für ihre U-Boote amerikanische Trägerraketen vom Typ
Poseidon. In den frühen 1970er-Jahren als Nachfolger der
Polaris eingeführt, hatte diese zweistufige Feststoffrakete eine
Reichweite von 4600 km und transportierte nukleare
Mehrfachsprengköpfe (MIRV). Bei einer Länge von 10,40 m
und einem Durchmesser von 1,90 m entspricht sie in der
Größe etwa dem Aggregat 4.
Uwe W. Jack